Von Doris Herrmann
Deutschland verschwendet die Talente des Nachwuchses. Das belegt eine Studie des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft und der Unternehmensberatung McKinsey. Von 100 Grundschülerinnen und Grundschülern aus nicht-akademischen Elternhäusern sitzen später nur 27 in einem Hörsaal. Von 100 Akademikerkindern werden sich hingegen 79 an einer Hochschule einschreiben. „Noch immer hängt der Bildungserfolg junger Menschen in Deutschland maßgeblich von ihrer Herkunft ab und nicht von ihrer Begabung“, erklärt Claudia Piatzer, stellvertretender Vorstand und Programmleiterin für das Deutsche Schülerstipendium der Roland Berger Stiftung. „Das wollen wir ändern!“ Mit dem Stipendium engagiert sich die Roland Berger Stiftung für mehr Chancengerechtigkeit für Schülerinnen und Schüler. Alle Stipendiat*innen werden nach ihren individuellen Bedürfnissen unterstützt. Auf dem Bildungsprogramm stehen dabei unter anderem Arbeitsgemeinschaften an den Partnerschulen, Ausflüge mit den ehrenamtlichen Mentoren oder spannende Wochenendseminare.
Stipendiat*innen für Studium begeistern
Vor drei Jahren wurde für ältere Schülerinnen und Schüler ein Stipendiat*innentag ins Leben gerufen. Dieser führte Ende Oktober 2022 20 informatikinteressierte Jugendliche im Alter zwischen 15 und 19 Jahren von insgesamt acht Gymnasien und Fachoberschulen aus Bayern und Baden-Württemberg, auf den Forschungscampus Garching. Begleitet wurde die Gruppe von Claudia Piatzer, Evelin Boden und Timo Janosch von der Roland Berger Stiftung. Seitens der TUM waren Sandra Bogdanovic und Ivonne Hofmann-Sellier anwesend, um die Jugendlichen willkommen zu heißen. „Ziel des heutigen Tages ist es, den Schülerinnen und Schülern ein Gefühl dafür zu geben, was es heißt, an der School for Computation, Information and Technology Informatik zu studieren“, erläuterte Sandra Bogdanovic.
Tour über den Campus Garching
Nach Ankunft am U-Bahnhof Garching Forschungszentrum ging es zunächst zu einer kurzen Besprechung in den Faculty Club des TUM Institute of Advanced Study. Diese wissenschaftliche Einrichtung der TUM betreibt natur-, ingenieur- und geisteswissenschaftliche Forschung. Im obersten Stockwerk des modernen Gebäudes gelegen, bietet der Faculty Club einen optimalen Ausblick über den Campus Garching. Danach stand ein Mittagessen in der 2018 eröffneten Neuen Mensa auf dem Programm, in der täglich rund 7.300 Essen kredenzt werden. Die Schüler*innen konnten sich unter die Studierenden mischen und das Speisenangebot zwischen Salattheke, Pizza-Schalter, Pasta- und Woktheke erkunden. Gestärkt ging es anschließend zum Gebäude der School of Computation, Information and Technology, wo Prof. Stefanie Rinderle-Ma und Dr. Jürgen Mangler vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Geschäftsprozessmanagement die Gruppe von begrüßten.
Einführung in die Welt des Informatikstudiums
Der wissenschaftliche Mitarbeiter Mangler führte die Stipendiat*innen in die Welt des Informatikstudiums ein. Er erläuterte die Studiengänge sowie das Bewerbungsverfahren und gab einen Einblick in die unterschiedlichen Forschungsgebiete der Professor*innen. Den Jugendlichen wurden grundlegende Konzepte der Programmierung wie Zerlegung von Problemen in Teilprobleme, Laufzeitabschätzung und die Beurteilung der Effizienz von Algorithmen vorgestellt. Anhand von konkreten Algorithmen, wie dem Traversieren von Labyrinthen, zeigte Jürgen Mangler, dass komplexe Probleme sich durch einfache und elegante Algorithmen lösen lassen und diskutierte das Zusammenspiel zwischen Daten und Instruktionen. Anhand von spielerischen Programmieraufgaben durften die Jugendlichen in einem am Lehrstuhl erstellten „Häschenspiel“ anschließend ihr Informatikgeschick erproben. Mit Hilfe einfacher Aktionsblöcke brachten die Stipendiat*innen kleinen Hasen bei bestimmte Aufgaben zu lösen. So sollten die Langohren sich beispielsweise vorwärts bewegen und Karotten futtern, die teilweise aber schwer erreichbar waren oder die es in einer bestimmten Reihenfolge zu verputzen galt. Insgesamt wurden hier 21 Levels vorgestellt und teilweise von den Schüler*innen in Eigenregie gelöst.
Besuch des Roboterlabors
Nach der Erfahrung am Rechner stand die Besichtigung eines Versuchslabors auf dem Programm. Hier schlossen die Stipendiat*innen Bekanntschaft mit einem kollaborativen Roboter. Dieser sogenannte Cobot wurde speziell für die Zusammenarbeit mit Menschen entwickelt. Am Lehrstuhl von Prof. Rinderle-Ma kommt er für diverse Automatisierungslösungen zum Einsatz. So kann er z. B. Schach spielen, eine Fräse mit Rohmaterial beliefern und fertige Teile entnehmen, aber auch Rohteile vermessen und ordnen.
Zum Abschluss des Besuchs durften die Schüler*innen in der großen Magistrale Mathematik und Kunst am eigenen Leib erleben: auf einem Teppich ging es rasant durch eine der beiden Metallröhren der einzigartigen Parabelrutsche von der dritten Etage des Gebäudes ins Erdgeschoss. Dieses gestalterische Highlight bezeichnet eine Parabel im Raum und ist weltweit die größte Rutsche ihrer Art. Das Symbol für die Vereinbarkeit von Kunst und Wissenschaft lässt den Nutzer 13 Höhenmeter in wenigen Sekunden überwinden.
Adrenalinkick und neue Eindrücke
Doch nicht nur den Adrenalinkick der Rutschpartie nahmen die jugendlichen Besucher*innen von ihrer Exkursion mit. „Vorab hatte ich mich nur in der Schule mit Informatik beschäftigt“, erklärte etwa Stipendiatin Arina. „Heute haben wir gehört, wie viele Fachgebiete es in der Forschung gibt, das finde ich total spannend. Mich würde ein Informatikstudium hier sehr reizen – auch wegen der guten Zukunftschancen im Job.“ John und Kenny faszinierte, wie einfach „coden“ etwa beim „Häschenspiel“ sein kann – und wie kompliziert dagegen das Programmieren des Cobots ist. Wenn auch nur einzelne der Jugendlichen sich vielleicht für ein Informatikstudium an der School for Computation, Information and Technology entscheiden werden, das Schülerstipendium möchte ihren Horizont erweitern und Hürden überwinden helfen. „Der Stipendiat*innentag an der TUM war einfach großartig. Absolut gelungen, denn die Jugendlichen konnten erleben, wie spannend und vielfältig ein Informatikstudium an der TUM ist. Persönlich begeistert hat mich die zugewandte und sehr empathische Form der Vermittlung der Studieninhalte“, so Claudia Piatzer.